Der Kelch, der vorübergehen möge

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Der Worst case ist da. Wir stecken mitten in einem exponentiellen Ausbreitungsgeschehen des Corona-Virus. Aus naturwissenschaftlicher Sicht habe ich dazu folgende Bemerkungen:

Die durchschnittliche Inkubationszeit bei dieser Erkrankung beträgt 5 Tage, in Einzelfällen auch viel mehr. Geht man dann noch davon aus, dass es noch einmal mindestens 3 – 4 Tage dauert (was optimistisch angenommen ist), bis Corona nachgewiesen ist, dann kann man erwarten, dass von der Infektion bis zum Nachweis überschlägig 9 Tage vergehen.

Jetzt muss man zurückrechnen: Die Zahl der heute nachgewiesenermaßen an Corona Erkrankten hat also vor neun Tagen bereits bestanden, die Infizierten sind aber inzwischen weiter unerkannt herumgelaufen und haben weitere Kontaktpersonen angesteckt. Zu jedem Zeitpunkt der Epidemie ist also die Zahl der wirklich Infizierten mindestens fünfmal (manche Erkrankte haben keine Symptome, also ist der Faktor 5 die Untergrenze) so hoch wie die Zahl der registrierten Fälle.

Schaut man sich den Infektionsverlauf an, dann sind die Zahlen denen in Italien vergleichbar. Grob gesagt ist uns Italien ziemlich genau 9 Tage voraus, das geht aus der  Entwicklung der täglichen Fallzahlen hervor.

Das bedeutet aber, dass gemäß den Bemerkungen oben heute (13. März) schon so viele Infizierte unter uns sind, die aber nicht erkannt wurden, wie es heute bekannte Fälle in Italien gibt: das sind 17.500. Bei gegenwärtig 3500 nachgewiesen Infizierten in Deutschland kommen also auf jeden nachgewiesenen Fall etwa fünf noch nicht nachgewiesene in der Inkubationszeit.

Diese sind aber sehr viel gefährlicher als die erkannten Fälle, da sie noch nicht isoliert sind. Jeder von uns kann mit ihnen unabsichtlich in Berührung kommen, wenn er sich in der Öffentlichkeit bewegt. Deshalb ist weitestmögliche soziale Isolation im Moment das Gebot der Stunde. Das wird aber immer noch nicht wirklich konsequent durchgesetzt: eigentlich müsste man einen kompletten Shut down des gesamten Landes für etwa zwei Wochen durchführen, um die Infektionsketten zu unterbrechen. Denn in dieser Zeit könnten dann keine neuen Infektionen auftreten und die vorhandenen Fälle ließen sich isolieren.

Das ist aber nicht realistisch, dazu wird es nicht kommen, bei unserer Führung kann ich mir das nicht vorstellen. Die Chance der Unterbrechung der Infektionsketten in der Frühphase durch tatsächlich durchgreifende Maßnahmen wurde vertan. Man hat das Problem nicht ernst genug genommen, es gab Beschwichtigungen, halbherzige Maßnahmen, viel föderale Verwirrung und Scheinaktivitäten. Dabei hätte man nur nach Italien schauen müssen.

Die Durchseuchung ist realistisch nicht mehr aufzuhalten. Wer jetzt allerdings glaubt, die Zahl der Toten ließe sich im Rahmen halten, liegt ebenfalls falsch. Die Mortalitätsrate von einigen Prozent bleibt bestehen und ist in Wahrheit ähnlich hoch wie in Italien. Denn die niedrige, nur bei etwa einem Zehntel liegende Todesrate in Deutschland ist ein „statistisches Artefakt“, begünstigt durch die realen Verhältnisse im deutschen Gesundheitssystem mit seinen Fallpauschalen.

Man kann im Netz leicht herausfinden, woran das liegt: die Behandlung von an Pneumonie (Lungenentzündung) Erkrankten und Corona-Erkrankten differiert praktisch nicht. Deshalb wird die Diagnose J 12.9 (ICD-10) “Viruspneumonie, nicht näher bezeichnet“ gestellt, was der Klinik eine eventuelle Schließung, Quarantäne sowie weitere Unannehmlichkeiten erspart und bei fehlender Verifizierung auch keine Lüge ist. Bei Gestorbenen wird, wie inzwischen offiziell auf einer Pressekonferenz bestätigt wurde, auch keine nachträgliche Testung auf Corona mehr durchgeführt.

Es ist also, wie so oft, auch hier ein Problem der Statistik. Dass dies so ist, beweist allein, dass ausschließlich Deutschland bei vergleichbaren Fallzahlen ein Zehntel der Mortalitätsrate aller anderen vergleichbaren Länder hat. Ein anderer Virusstamm mit drastisch niedrigerer Mortalitätsrate wäre aber bei der internationalen Vernetzung heute völlig unwahrscheinlich. Mir geht es aber nicht darum, das jetzt mit Sicherheit zu behaupten. Ich bezweifle nur mit Berechtigung die offiziellen Zahlen.

Was kann man also tun? Soziale Isolation so weit wie möglich, d. h. so wenig Kontakte wie möglich, moderat Vorräte anlegen für den Fall eines Zusammenbruchs der Versorgung und die inzwischen üblichen Maßnahmen wie ständiges Händewaschen, Verwenden von Tüchern an Türklinken, Abstand bei nicht vermeidbaren menschlichen Kontakten und Desinfektion. Öffentliche Verkehrsmittel und Veranstaltungen sowieso meiden. Einkaufen nicht in den Stoßzeiten, auch dort auf Abstand achten. Bei Verdacht auf Corona 116117 wählen.

Und die Verwandten aufklären, vor allem Ältere und Kranke ohne Internet, diese müssen unbedingt von der Öffentlichkeit ferngehalten werden, sie müssen ja auch nicht mehr täglich zur Arbeit. Dafür sind sie umso öfter beim Arzt, gerade da ist besondere Vorsicht geboten. Denn die Wartezimmer sind meistens ziemlich eng. Familienfeiern und Restaurantbesuche (diese werden meiner Meinung nach sowieso in den nächsten Tagen geschlossen) sollten unterbleiben. Einkäufe kann vielleicht die Familie organisieren. Kleine Kinder sollten nicht bei den Großeltern untergebracht werden, sie könnten in der Kita bereits infiziert worden sein. Und die Überlebenschancen der Großeltern sind dann leider nicht gut. Viel mehr können wir nicht tun.

Ich wünsche allen meinen Lesern trotz dieser schlechten Nachrichten mit einem gewissen Galgenhumor gute Gesundheit und dass der Kelch an ihnen vorübergehen möge.

Update 15.3.: Inzwischen gibt es weitere Todesmeldungen, elf Tote sind inzwischen zu beklagen. Auffällig ist daran, dass angegeben wird, sie seien an Lungenentzündung gestorben. Das Virus wird aber nicht explizit genannt. Dies könnte bedeuten, dass man Zweifeln an der offiziellen Todesstatistik, wie ja auch ich sie geäußert habe, dadurch den Wind aus den Segeln nimmt, dass man zu einer realistischeren Zählweise übergegangen ist, indem man sie dazurechnet, auch wenn die Gestorbenen nicht nachträglich auf Corona getestet werden. Dies begrüße ich ausdrücklich.

Ein Kommentar zu „Der Kelch, der vorübergehen möge

  1. Grauenvoll, man kann nur hoffen. Wengstens hat unsere Regierung für den nun folgenden Wirtschaftseinbruch eine tolle Entschuldigung.
    Anstatt nun hier im Gesundheitssystem noch zu retten, was kaum noch zu retten ist, phantasiert man schon wieder über die Aufnahme weiterer Migranten. Auch wenn es sich um Kinder handelt, bisher sind sie auch zurechtgekommen. Wir haben doch nun weiß Gott andere Sorgen.
    Mein Hausarzt, auch schon über die 70 – er findet natürlich keinen Nachfolger – sieht das Problem allerdings weit weniger gravierend. Er erinnerte mich an die 25000 Grippetoten vor 2 Jahren um die auch kein großes Aufhebens gemacht wurde. Schlimm genug. Den Handschlag habe ich ihm erstmalig verweigert.
    Ich habe für uns an Vorräten eingekauft, was im Gefrierschrank unterzubringen war, dazu reichlich Konserven und Knäckebrot. Würde alles locker mindestens 4-6 Wochen reichen, aber leider nicht über ein halbes Jahr. Junge Einkäufer haben wir nämlich leider nicht. Vielleicht liefert ja Edeka, vorausgesetzt dort bleiben noch ein paar Gesunde übrig.
    Handdesinfektionsmittel mit Mühe noch drei Flaschen erstanden, es waren so ziemlich die letzten im Umkreis. Sorgen muss man sich auch über dringendst benötigte Arzneien. Da wurden die Omas mit mickrigen Renten verunglimpft, wenn sie billige Kotelett kauften, von wegen Geiz ist geil. Aber unsere fast gesamte Pillenproduktion wurde in Entwicklungsländer ausgelagert. Mit allen negativen Folgen. Da war Geiz nicht geil, sondern eine Schande für unser Land.
    Ihnen wünsche ich auch alles erdenklich Gute, Herr Stamer.

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