Es ist eine Binsenweisheit: Selbst heftigste Skandale sind für Minister heutzutage kein Grund mehr, um zurückzutreten. Sie tun es erst dann, wenn sie das Vertrauen ihrer Chefs in der eigenen Partei verloren haben. Und das ist heute nahezu unerschöpflich. Da kann es Korruptionsskandale geben oder haarsträubende Versäumnisse, es spielt alles keine Rolle. Entscheidend ist nur das Machtkalkül. Und das wird vor allem gespeist aus einer neuen Art von Denken, das in meiner Jugend noch keine Rolle spielte. Es ist das Gruppendenken der politischen Blasen, der Kohorten, der Lager.
Politische Lager gab es in meiner Jugend auch schon: das sozialistische und das westliche Lager. Da das sozialistische Lager ständig nur Lügen über die eigene Wirklichkeit, die man ja jeden Tag vor der Nase hatte, verbreitete, fiel die Identifikation nicht schwer. Meine politische Willensbildung in dieser Hinsicht war spätestens mit dem Einmarsch der sowjetischen Truppen in Prag 1968 abgeschlossen.
Heute ist die Sache komplizierter. Die Lager definieren sich durch Informationsblasen, durch sozial abgeschottete Gruppen, auch die Politikkaste in Berlin stellt für sich eine Blase dar. Aber innerhalb dieser Blasen oder Lager besteht eine fast uneingeschränkte Solidarität. Man ist stets bereit, noch für die größte Verfehlung Verständnis zu entwickeln, wenn es sich nur halbwegs irgendwie begründen lässt.
Natürlich mag die familiäre Situation von Frau Spiegel tragisch sein. Und vielleicht brauchte ja die Familie auch tatsächlich dringend mal Urlaub. Dass aber dieser Punkt eine derartige Rolle spielt bei unserem Bundeskanzler, ist vollkommen unverständlich. Denn durch die Versäumnisse während der Flutkatastrophe, die die Ministerin entscheidend mit zu verantworten hat, sind Tragödien in ganz anderen Dimensionen abgelaufen. Menschen haben alles verloren, nicht nur ihr Hab und Gut, ihre Häuser und Grundstücke, sondern oftmals auch ihre Angehörigen. Und da hat keiner danach gefragt, ob da jemand eventuell urlaubsreif war. Für eine verantwortliche Ministerin gibt es in einem solchen Moment keine Ausreden, überhaupt gar keine.
Aber ich will auf etwas anderes hinaus: das Lagerdenken geht inzwischen soweit, dass fast jede Verfehlung der „eigenen Leute“ entschuldigt wird, während man beim gegnerischen politischen Lager buchstäblich den Splitter im Auge sieht. Und das hat inzwischen eine Dimension erreicht, die die politische Kultur nachhaltig beschädigt.
Schaut man jetzt auf konkrete Ereignisse rechts und links des politischen Medians, liegen links die größeren Verfehlungen vor. Ich erinnere nur daran, dass der brandenburgische Vorsitzende der AfD gehen musste, weil er bei seinem Parteieintritt vor Jahren die noch viel frühere Nähe zu einer Organisation verschwiegen hatte (die Mitgliedschaft wurde nicht bewiesen), die dann später (nicht etwa zum Zeitpunkt des Eintritts!) auf der Unvereinbarkeitsliste der AfD landete. Und in der gleichen Bundesrepublik Deutschland haben wir einen Bundespräsidenten, der zwar nichts verschwiegen hat, der aber früher in einer Organisation tätig war, die vom Verfassungsschutz beobachtet wurde. Der tritt deshalb aber nicht zurück, die Causa war ja nicht einmal ein Hinderungsgrund für seine Berufung.
Im Linksstaat Deutschland haben linke Kräfte die Macht. Deshalb glauben sie auch, sich mehr leisten zu können. Es wird sich erweisen, ob sie auf Dauer damit durchkommen.
Edit: Soeben kommt die Meldung, dass Ministerin Spiegel nun doch zurücktritt. Manchmal wird man ja von der Wirklichkeit doch noch positiv überrascht. An der grundsätzlichen Lage der Dinge ändert sich dadurch aber nichts.
Richtig. Sie wurde zurückgetreten.Wäre ja lustig, wenn tatsächlich Antonia Hofreiter (wegen der Frauenquote) Nachfolger:in würde
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Man kann doch nur noch den Kopf schütteln, was der Deutsche Bürger alles mitmacht.
Frau Spiegel ist nur ein klitzekleiner Teil eines Gesamtdeutschen Problems, bzw der EU!
Soll ich hier etwas zur Kanzler-Personalie schreiben?
Früher wäre sowas unmöglich gewesen, genau wie der größte Pharmalobbyist Gesundheitsminister wird, es macht nur noch fassungslos…
Und es zieht sich von den höchsten Ämtern bis hin zu den kleinsten Beamten!
Durch und durch morsch – Bananenrepublik – wie von den USA gewünscht.
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