Die Warnung des Kommandanten

Dies ist ein geradezu explosiver Leserbrief von der Leserbriefseite der FAZ. Er wirft ein Schlaglicht auf die Mentalität und die gesellschaftlichen Verhältnisse in Afghanistan. Er warnt vor einem Fehler, den Deutschland schon einmal in den achtziger Jahren gemacht hat. Und der Briefschreiber ist nicht irgendjemand, wie man erfährt:

Es lohnte sich, für uns zu arbeiten

Zur Afghanistan-Berichterstattung in der F.A.Z. vom 24. August und hier insbesondere die zur Evakuierung von Ortskräften plus Angehörigen:

Haben Sie besten Dank für die ausführliche Berichterstattung zu den Vorgängen in Afghanistan, vor allen Dingen zu den Bemühungen, Ortskräfte und deren Angehörige auszufliegen. 

Auch ich gehöre zu den Soldaten der Bundeswehr, die in Afghanistan eingesetzt waren. 2005/2006 war ich, Dienstgrad Oberst, im 9. und beginnenden 10. Deutschen Einsatzkontingent Kommandant von Camp Warehouse in Kabul, des damals größten internationalen Camps mit ungefähr 2400 Soldaten aus mehr als 20 Nationen. Was die Ortskräfte angeht, so habe ich einen anderen Zugang als den, der üblicherweise in den Medien verbreitet wird. Als Kommandant von Camp Warehouse hatte ich einige Ortskräfte. Diese jungen Männer (bei Radio Andernach gab es sogar einige Afghaninnen) kannten haargenau die Situation in der sie umgebenden Gesellschaft.

Selbstlosigkeit war das Letzte, was diese Leute angetrieben hat, um für uns zu arbeiten. Diese romantisch-idealisierenden Vorstellungen sind dort unbekannt beziehungsweise stoßen auf völliges Unverständnis. Das Leben ist viel zu hart, um sich mit derartigem Wohlstandsgefasel zu beschäftigen.

Unsere Ortskräfte wurden für afghanische Verhältnisse fürstlich entlohnt, gut behandelt und nahmen wie selbstverständlich an unserer ausgezeichneten Mittagsverpflegung teil. Von den Soldaten des deutschen Kontingents wurden sie in der Regel bei Kontingentwechseln mit Kleidung, Schuhen und so weiter beschenkt. Ich habe Dutzende sogenannte Mitnahmebescheinigungen unterschrieben, damit ihnen diese Geschenke bei der Kontrolle an der Wache nicht abgenommen wurden.

Es hat sich also gelohnt, für uns zu arbeiten. Dies war selbstverständlich auch ihrer Umgebung bekannt. Gehörten sie starken Familien, Stämmen, Clans an, haben auch diese davon profitiert und schützten diese Leute. Gut zu wissen: Ein Afghane definiert sich ausschließlich über seine Familien- beziehungsweise Stammeszugehörigkeit; Individualismus ist unbekannt. Gehörten sie zu schwächeren Gruppen, waren Schutzgeldzahlungen fällig, um nicht umgebracht zu werden. Darüber hinaus waren Informationen zu liefern. Die Taliban oder ähnliche Gruppierungen waren somit bis ins Detail über unsere Zahl, Ausrüstung, gegebenenfalls sogar über unsere Absichten informiert.

Meine beiden deutschen Soldaten, die mich bei der Führung des Camps unterstützt haben, waren entsprechend instruiert und zur Vorsicht bei der Informationsweitergabe ermahnt. Dass gerade diese Ortskräfte jetzt sämtlich zu uns kommen wollen, überrascht mich nicht; hatten sie doch einen recht genauen Einblick über unseren Lebensstandard erlangt. Innerlich verachten uns diese Menschen, was sie aus nachzuvollziehenden Gründen natürlich nie zugeben werden. Sie wollen ja etwas erreichen: den Wohlstandsmagneten Deutschland. Ich will nicht verkennen, dass es Ausnahmen geben mag. Nur: Mir sind sie nicht begegnet. 

Aber vielleicht war und bin ich ja blind. Mit Letzterem befinde ich mich, wenn ich mir die Berichterstattung über den Zusammenbruch der durch die westlichen Staaten geförderten politischen Ordnung in Afghanistan betrachte, jedoch in bester Gesellschaft.

Dr. Thomas Sarholz, Oberst a. D., Andernach


Fettschrift von mir. Man sollte solche Stimmen unbedingt ernst nehmen. Und vor allem erst einmal zur Kenntnis nehmen. Wir haben wahrscheinlich falsche Vorstellungen von den gesellschaftlichen Verhältnissen in Afghanistan. 

Und jetzt muss man sich einmal vorstellen, dass Tausende solcher Stammesangehörigen hier ankommen. Die bilden hier eine Versorgungsbasis für zu Hause, was denn sonst? Und bauen hier neue Familienverbände in Kampfesstärke auf. So wie es die Libanesen in den Achtzigern getan haben, die die heutigen Clans bilden. Oder glaubt jemand tatsächlich, dass aus den Afghanen nach dem Grenzübertritt plötzlich Individualisten werden, die in eine westliche Gesellschaft passen?

Unsere Gesellschaft ist unrettbar naiv. Noch immer herrscht das Denken vor, Afghanistan wäre so etwas wie Deutschland, nur halt exotischer mit Islam, Burkas und Taliban. Wir schauen auf Einzelschicksale und ignorieren darüber die Zusammenhänge. Dieses idealistische statt realitätsbezogene Denken hat uns die heutigen Verwerfungen in unserer Gesellschaft beschert. Es ist Wahnsinn: Wenn wir diese Leute hier aufnehmen, können vielleicht unsere Politiker ruhiger schlafen und ein paar Moralisten, die gern Geschäfte zulasten Dritter machen..

Aber wir importieren die Keimzellen der nächsten Clans, die uns in zehn Jahren terrorisieren, so wie es die heutigen Clans tun, die in den achtziger Jahren als Asylbewerber gekommen sind. Wir sollten den Ortskräften helfen, aber keinesfalls in Deutschland! Damit würden wir uns eine Zeitbombe von hoher Sprengkraft und mit unabsehbaren Folgen in unsere Gesellschaft legen.

Wann wird endlich wieder das Sicherheitsinteresse der Bevölkerung an die Spitze der staatlichenAgenda gesetzt, so wie es der österreichische Kanzler Kurz getan hat, der die Aufnahme von Ozkräften strikt abgelehnt hat?

N-tv meldet heute Morgen, dass die Deutschen in dieser Frage zur Hälfte gespalten sind. Wer aber aus einem Fehler nicht lernt, ist dazu verurteilt, ihn zu wiederholen.

Krieg gegen das eigene Land

Inzwischen wird die Frage der Ortskräfte politisch genutzt, um, wie es die Grünen formulieren, „die Diversität in Deutschland sicherzustellen“: Dabei hat eine wundersame Vermehrung der Ortskräfte von einigen Hundert auf Zehntausende stattgefunden. Die „Ortskräfte“ lösen die „Fachkräfte“ ab:

Screenshot: jungefreiheit.de
Screenshot: spiegel.de

Man fragt sich, ob die Grünen Krieg gegen das eigene Land führen. Herr Haldenwang, bitte übernehmen Sie.

3 Kommentare zu „Die Warnung des Kommandanten

  1. Verräter u. Kollaborateure nach D zu schaffen, ist eine feine Idee, denn Doofdeutsche sind genauso gestrickt u. Denunzianten dazu.

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  2. Sehr interessanter Brief. Ob der Oberst ohne den Zusatz a.D. ihn auch so geschrieben hätte, weiß man nicht.

    Der Fehler war von Beginn an überhaupt nicht auf die wirklich kompetenten Insider vor Ort zu hören.

    Noch eine Nord-Allianz zur Vertreibung von Taliban und IS gibt es nicht. Aber nun sind die Gotteskrieger ja ebenbürtige Verhandlungspartner. Denke ich da an „unsere“ Leute wie Heikoleinchen wir mir übel.
    Für diese in gewisser Hinsicht stolzen Verteidiger vormittelalterlicher Gepflogenheiten sind solche Leute keine ebenbürtigen Verhandler sondern Ungläubige, die man erpressen und belügen darf.

    Auch wenn sich Taliban und IS angeblich spinnefeind sind, wird die ganze Malaise auch zum Wiedererstarken des IS führen. Hitler und Stalin waren sich auch spinnefeind – und dann? Ging doch für eine Weile.

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