Die eigentliche Absicht der Berufsempörten

Jetzt kommen sie wieder aus ihren Löchern gekrochen, die Lordsiegelbewahrer der Deutungshoheit. Wie das ausgehen kann, ist mit BLM oder der heiligen Greta noch in guter Erinnerung.

Im „Tagesspiegel“ ereifert sich der Antisemitismusbeauftragte über die junge Dame, die sich mit Anne Frank verglich. Ich halte die Äußerung für unangemessen, mehr nicht, es ist eben ein Vergleich, nicht eine Gleichsetzung.

Hier zunächst der Wortlaut, zitiert aus der Stuttgarter Zeitung:

Die Elfjährige hatte am Samstag auf der Bühne eine Rede vorgelesen, in der sie sagte, die Geburtstagsfeier mit ihren Freunden sei ganz anders gewesen als in den Jahren davor: „Wir mussten die ganze Zeit leise sein, weil wir sonst vielleicht von unseren Nachbarn verpetzt worden wären. Ich fühlte mich wie bei Anne Frank im Hinterhaus, wo sie mucksmäuschenstill sein mussten, um nicht erwischt zu werden.“

Die junge Dame ist ein Kind, elf Jahre alt. Anne Frank kannte sie aus der Schule, also fiel ihr völlig unbefangen deren Situation ein, um ihre eigenen Gefühle zu verdeutlichen. Für ein Kind ist das eine völlig verständliche Reaktion, dem kann man kaum geschichtliche oder politische Reflexion zumuten. Die Veranstalter dürften sie damit zum Selbstschutz nicht auf eine Bühne lassen? Das würde bedeuten, eine authentische Reaktion eines Kindes zu unterdrücken. Dann könnten sie ja auch gleich Zensur fordern. Kinder müssen sich ausprobieren können, auch der politische Reifungsprozess geschieht in Stadien und Widersprüchen. Früher, in weniger erbarmungslosen Zeiten, nannte man das „Welpenschutz“.

Warum soll man nicht einmal aus erster Hand erfahren, wie die Corona-Maßnahmen auf junge Menschen wirken.? Das ist doch legitim und genau diese Absicht dürfte hier vorgelegen haben: Wie reagieren Kinder? So hätte man, als erwachsener Beobachter das Ganze auf sich beruhen lassen und diese Aussage als Beleg für die Belastungen nehmen können, der die junge Generation dieser Tage ausgesetzt ist. Kinder sind authentisch und direkt und die Formulierung dürfte der Elfjährigen wohl kaum jemand in den Mund gelegt haben. Aber die politische Instrumentalisierung, die sofort einsetzte, war allumfassend links der Mitte.

Eine weitere Äußerung wird vom Tagesspiegel so zitiert.:

Am Samstag hatte eine junge Frau, die sich als „Jana aus Kassel“ vorstellte, auf einer „Querdenken“-Bühne in Hannover gesagt: „Ich fühle mich wie Sophie Scholl, da ich seit Monaten aktiv im Widerstand bin, Reden halte, auf Demos gehe, Flyer verteile und auch seit gestern Versammlungen anmelde.“

Auch diesen Ausspruch halte ich für unangemessen. Aber er drückt ein (subjektives) Gefühl aus, und damit wird er der Wahrheit entsprechen. Objektiv gesehen sind Widerstandsaktionen unter Lebensgefahr in einer Diktatur und solche in einem – in Teilen – immer noch demokratischen Staat nicht vergleichbar. Um widerständiges Handeln handelt es sich aber durchaus, insofern würde ich diesen Satz nicht auf die Goldwaage legen. Der weitere Kontext ist nicht überliefert – nicht auszuschließen, dass der verunglückte Ausspruch mit einem Augenzwinkern gemeint war.

Nun geht es in dem Tagesspiegel-Artikel aber nicht um irgendwelche Twitter – Schrei(b)hälse und Skandalisierer, sondern um den Antisemitismusbeauftragten. Und der merkt an:

Der Holocaust ist kein Abziehbild für jedwede Opfergefühle.

Er meinte wohl „Blaupause“. Hierin steckt für mich eine Abwertung des Begriffs „Opfer“, der schon längst in der Gesellschaft stattgefunden hat. Opfer sind schwach, passiv, werden ausgegrenzt, marginalisiert, alles Dinge, die die Gesellschaft verabscheut. Der AfD beispielsweise wird hartnäckig die Opferrolle unterstellt. So lange jedenfalls, bis die Hohnlachenden selbst zum Opfer werden.

Insofern ist dieser Satz zynisch und man könnte über ihn hinwegehen, wenn er nicht genau ins selbe Schema passen würde, wie es die aufgeregten Dreckschleudern auf Twitter praktizieren: Instrumentalisierung jedweder Äußerung des angenommenen oder tatsächlichen politischen Gegners.

Angst ist immer subjektiv und immer schlimm. Ängste untereinander zu vergleichen, ist problematisch, da sie vollkommen subjektiv sind. Die Mediziner haben Angstskalen von HAMA bis BAI, aber auch die sind subjektiv und bedürfen immer der beigeordneten Beurteilung durch den Arzt. Ich halte die Vergleiche für unangemessen, aber auch nicht für mehr. Die beiden kannten aber immerhin Sophie Scholl und Anne Frank noch. Bei den künftigen Generationen bin ich da nicht so sicher, wenn „Homeschooling“ weiter um sich greift. Den Bildungsjahrgang 2020 kann man mit Sicherheit vergessen.

Die Redeschnipsel wurden aus einer großen Menge von Äußerungen herausgepickt und benutzt, um die Querdenken-Bewegung zu diffamieren und die Erzählung, sie sei von Rechtsextremen unterwandert, zu untermauern. Es wäre doch gelacht, wenn das in der Gilde der berufsempörten Wortverdreher nicht gelingen würde. Und sie haben es ja auch fast geschafft.

Zur Äußerung der Elfjährigen über Anne Frank konnte man im Tagesspiegel lesen:

Der Präsident des thüringischen Landesamtes für Verfassungsschutz, Stephan Kramer, sagte dem RND: „Das ist kein Zufall, sondern das perfide Ergebnis einer langen Kette von Diskursverschiebungen und gezieltem Geschichtsrevisionismus, basierend auf Schulungen der Neuen Rechten.“ Jüngere Menschen seien dafür besonders empfänglich. . 

Das ist ungeheuerlich. Was hat diese zutiefst ideologisch motivierte und backbordlastige Einschätzung der gesellschaftlichen Veränderungen (in Wirklichkeit ist der Diskurs nach links verschoben, nicht nach rechts) mit der spontanen Äußerung der Elfjährigen zu tun? Das Mädchen dürfte in der fünften Klasse sein, welche „Schulungen der Neuen Rechten“ sollen denn da gewirkt haben? Zumal die Gesellschaft, was den Hitlerfaschismus betrifft, sich ziemlich einig ist – auch die AfD stellt deren verbrecherischen Charakter nicht infrage. Sie hatte auch sicher verantwortungsvolle Lehrer, die ihr die beeindruckende Geschichte der Anne Frank erzählt haben. Dass die Gesellschaft (oder besser ihre Meinungsführer) einen solchen Vergleich mehrheitlich als Sakrileg empfindet bzw. empfinden, ist nicht dem Kind anzulasten, schon gar nicht in diesem Alter.

Die Äußerung des Verfassungsschützers ist an dummer Verbohrthalt wirklich nicht mehr zu toppen.

Nur der Bürger in Stadt und Land kratzt sich am Hinterkopf und sagt sich: „Wenn sie die Nazikeule jetzt schon gegen Elfjährige herausholen, da bin ich doch lieber ruhig.“ Und die Wirkung auf die junge Generation halte ich für geradezu katastrophal: „Halt bloß die Schnauze, sonst stempeln sie dich als „rechts“ ab und du verbaust dir den Lebensweg.“

So geht Einschüchterung, so erzieht man eine Generation von Duckmäusern. Das elfjährige Mädchen wird bestimmt nicht wieder versuchen zu protestieren, egal wogegen.

Und ich übertreibe nicht, wenn ich genau das für die eigentliche Absicht halte.

2 Kommentare zu „Die eigentliche Absicht der Berufsempörten

  1. Vielen Dank, dieser Aspekt war mir noch gar nicht aufgefallen. Aber es ist richtig und der Vergleich zu den kriminellen „unbegleiteten Jugendlichen“ trifft zu. Die machen das Mädchen fertig, stellen es an den Pranger, in Wirklichkeit geht es natürlich darum, die Eltern fertigzumachen. Beziehungsweise die Deutungshoheit zu verteidigen und die Bürger einzuschüchtern.

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  2. Zu allererst mal ist ein elfjähriges Mädchen keine junge Dame, sondern ein Kind, vermutlich mal eben in der Pubertät. Dazu noch bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres strafunmündig. Warum wurde das wohl vom Gesetzgeber so festgelegt?
    Wir lernen also, ein Kind darf auf einen unpassenden Satz hin an den Pranger gestellt werden, ein zwei Jahre älterer Jugendlicher, welcher einen Menschen absichtlich tötet, ist strafunmündig, sein Name bleibt der Allgemeinheit verborgen. Wie viele Tränen müsste Justizia darüber vergießen?
    Man kann dem Mädchen nur fest die Daumen drücken, dass es nun nicht nach bekannt linksgrüner Manier und SED Methoden fertig gemacht wird.
    Wie alt waren eigentlich die seinerzeitigen glühenden Anhänger des Massenmörders Mao, Trittin und Kretschmann? Ich wette, die waren mehr als doppelt so alt. Hauptsache, der steilen Karriere hat es nicht geschadet.

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